Es gibt Gefahren im Leben einer Katze, die selbst der vorsorglichste Katzenbesitzer nicht sofort erkennt. Seit unsere Coonies den Garten frei zur Verfügung hatten, waren wir daran gewöhnt, nach Zecken und allerlei "Fracht" von draußen zu schauen. So vorteilhaft sich der Gartenbesuch für unsere Katzen auch herausstellt, manchmal birgt er auch "unsichtbare" Gefahren.
Es war in diesem Hochsommer. Emilio kam ins Haus und war auffallend passiv. Er würgte manchmal, so als wenn er sich mal wieder überfressen hatte. Heraus kam meistens etwas Speichel und Schleim. Das war an sich nichts Besonderes. Jeder Katzenbesitzer beobachtet ab und zu, daß sich seine Katze mal verschätzt hat mit dem Fressen. Von Emilio waren wir es gewohnt, daß er sich beim Fressen übernahm. Dieses Mal lag der Fall aber anders. Immer dann, wenn Emilio zum Futter ging und versuchte etwas zu fressen, hörte er nach den ersten Bissen wieder auf und jammerte leise vor sich hin. Zudem war sein Atemgeräusch deutlich zu hören und er gab in unregelmäßigen Abständen einen leise röchelnden Ton von sich. Inzwischen war es Abend geworden und wir machten uns Sorgen. Hatte er im Garten einen Fremdkörper aufgenommen, der jetzt in seinem Rachen steckte oder würde das Röcheln vielleicht morgen schon wieder weg sein ?
Schließlich entschieden wir uns für die sofortige Fahrt zu unserer Tierklinik. Es war inzwischen 21 Uhr vorbei und wir hatten eine Fahrstrecke von ca. 40 Minuten vor uns. Die Fahrt über die nächtliche Landstraße endete kurz vor Weilheim mit einer Totalsperrung wegen Rohrleitungsbau und wir mußten weitere 15 Kilometer Umweg in Kauf nehmen. "Wenn wir es mal eilig haben, kommt auch noch so etwas", dachten wir. Kurz nach 22 Uhr erreichten wir die Tierklinik und die Tierärztin wartete schon auf Emilio. Der hatte sich jammernd seinem Schicksal in der Transportbox ergeben - er wußte nur zu genau, wohin die Reise geht.
Wir waren uns inzwschen nicht mehr so ganz sicher, ob Emilio tatsächlich etwas fehlte. Waren wir vielleicht zu hysterisch mit unseren Coonies und besonders mit unserem "Dicken" ? Um diese Zeit ist in der Tierklinik nur noch der Notbetrieb aktiv und den wollten wir natürlich nicht unnötig in Anspruch nehmen. Insgeheim hatten wir Angst davor, daß die Tierärzte bei Emilio nichts finden und wir unverrichteter Dinge mit einer Stärkungsspritze wieder nach Hause geschickt werden.
Aber es sollte ganz anders kommen ...
Ein erstes Abhören der Atemgeräusche und das mühsame Öffnen von Emilios Mäulchen brachten keinen Befund. Man konnte nichts erkennen. Trotzdem hatte auch die Tierärztin den Eindruck, das irgend etwas nicht mit ihm stimmt. Um alle Eventualitäten auszuschließen, mußte Emilio leicht betäubt werden und mit einem Endoskop in den Hals-Nasen-Rachenraum geschaut werden.
Wir warteten währenddessen auf dem Flur der Anmeldung in dieser Sommernacht und sahen den Nachtfaltern zu, die an den Neonröhren der Praxis herumflatterten. Eine große Hornisse zog ebenfalls ihre Bahnen und kam uns einige Male gefährlich nahe.
So abgelenkt bemerkten wir gar nicht, wie die Zeit inzwischen vergangen war. Über eine halbe Stunde war vorbei. Was war bloß mit Emilio los? Wir machten uns Sorgen. Wenn es so lange dauert, dann ist sicher irgend etwas auch gefunden worden ?
Schließlich hörten wir Schritte ! Die Tierärztin kam mit einem Zellstoffbündel triumphierend auf uns zu. Auf dem Zellstoffbündel war in etwas Blut ein gut 20 cm langer Grashalm zu sehen. Es war einer dieser harten Gräser, die oben Ähren besitzen und die eine gewisse Härte und Steifigkeit besitzen. "Das hat ihren Emilio gequält !" sagte sie. "Der Grashalm hat sich ganz hoch in den Nasenraum gebohrt und das untere Ende hing bis weit in die Bronchien hinein. Der ganze Hals-/Nasenraum ist dort sehr entzündet und er muß sich fürchterlich gequält haben ! Wie ein so großer Halm sich derart einfädeln konnte, ist mir allerdings schleierhaft", sagte sie.
Emilio kam langsam und torkelnd auf die Beine und schaute uns mit matten Augen an. Er schien froh zu sein, daß er diese Tortur hinter sich hatte. Wie lange der Grashalm wohl dort schon gesteckt hatte ? Die Tierärztin bestätigte uns, daß solche "Unfälle" bei Katzen relativ häufig sind und viele Katzenbesitzer das nicht so ernst nehmen würden. Wir waren sehr froh, daß wir spät in der Nacht uns noch auf den weg in die Tierklinik gemacht hatten ! Emilio ging es von Tag zu Tag besser und nach knapp einer Woche und mehreren Antibiotika-Spritzen war er wieder völlig der alte liebenswerte verfressene Kater, den wir so ins Herz geschlossen haben.
Wir werden in Zukunft lieber einmal öfter zum Tierarzt fahren, als solche Vorfälle zu leicht zu nehmen !
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(c) Fotos und Text: Torsten Sause